Die Argo - Eine Galeere
Die Argo war nach der Beschreibung in der Argonautensage eine Galeere, das heißt ein großes seetüchtiges Kriegsschiff, das durch Ruder und zur Ergänzung durch Segel angetrieben wurde. Im Mittelmeerraum wurde dieser Schiffstyp sogar bis ins 18. Jahrhundert verwendet. Die Kriegsschiffe der Phönizier, der Griechen und anderer alter Seefahrtsnationen waren mit Rammböcken am Vorderteil ausgestattet. Sie kamen schon 850 v. Chr. zum Einsatz. Die ältesten Galeeren waren lange, schmale, offene Boote mit Decks am Bug und manchmal auch am Heck. Eine schmale Laufplanke führte an den Ruderern vorbei bis ins Innere des Rumpfes. Die Ruder waren an den Dollborden (den oberen Rändern des Rumpfes) oder in den Ruderluken an den Rumpfseiten drehbar befestigt. Auf jeder Seite saß eine Reihe von Ruderern. An der offenen Reling waren Schilde oder manchmal auch Felle bzw. schwere Webmaterialien befestigt. Dadurch waren die Ruderer vor feindlichen Wurfgeschossen geschützt.
Auf griechischen Vasenmalereien sind Schiffe mit einreihigen Ruderbänken auf jeder Seite abgebildet. Auf diesen müssen bis zu 20 Ruderer Platz gefunden haben. Berechnungen zufolge waren die Schiffe etwa 24 Meter lang. Die maximale Anzahl von Ruderern auf jeder Seite in einer einreihigen Galeere schien 25 gewesen zu sein. Eine derartige Galeere wäre dann etwas über 30 Meter lang gewesen.
Galeeren mit mehreren Reihen von Ruderbänken
Etwa um 700 v. Chr. kamen Galeeren mit zwei Reihen von Ruderern auf, die man Biremen nannte. Solch ein Schiff war die „Argo“. Die frühesten Biremen besaßen offensichtlich zwei übereinander liegende Decks mit Ruderern. Um die Höhe des Schiffes über der Wasserlinie zu reduzieren, wurden später Galeeren gebaut, in denen die oberen Ruderer binnenbords oder zwischen den Ruderern der tieferen Reihe saßen. Die Sitze der oberen Reihe brauchten dadurch nicht über den Köpfen der tieferen Reihe zu liegen. Die zweireihige Galeere war mit einem Mann pro Ruder besetzt. Schon zur Zeit des Assyrischen Reiches (um 1700-600 v. Chr.) wurden zweireihige Galeeren mit einem vollständigen Kampfdeck über der oberen Rudererreihe gebaut. Auf alten griechischen Vasenmalereien sind auch einreihige Galeeren mit derartigen Decks abgebildet.
Der Wunsch nach höherer Geschwindigkeit und Rammwirkung der Galeere führte kurz vor 500 v. Chr. zur Einführung von dreireihigen Galeeren, die man Trieren nannte. Bezüglich der Sitzanordnung der Ruderer gibt es erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Es scheint lediglich gesichert zu sein, dass die niedrigste Reihe von Ruderern nahe der Rumpfseite saß und durch Luken ruderten, die etwa 84 Zentimeter über der Wasserlinie lagen; möglicherweise benutzten sie kürzere Ruder als die anderen Reihen. Die zweite Reihe saß binnenbords der niedrigeren Ruderbank. Die Ruderer der dritten Reihe befanden sich oberhalb der niedrigsten Reihe zwischen Paaren von Ruderern in der zweiten Bank. Die obersten Ruder waren offenbar an einem Ausleger oder Rudergerüst drehbar befestigt, bei dem man die Deckbalken nach Außenbord verlagert und sie aus schwerem Holz gefertigt hatte.
Bei der athenischen Triere hatten 54 Ruderer in der untersten (oder thalamite), 54 in der zweiten (oder zygite) und 62 in der obersten (oder thranite) Reihe Platz. Eine derartige Galeere würde etwa 39 Meter lang sein, die Wasserlinie an der höchsten Stelle um etwa 4,6 Meter überragen und etwa 1,2 Meter tief ins Wasser sinken.
Die frühen Galeeren und damit auch die „Argo“ waren vermutlich mit einem einzelnen Mast mit einem Segel ausgestattet, der sich ein Stück vor der Schiffsmitte befand. Einige der späteren dreireihigen Galeeren verfügten über drei Maste und Segel, die vor Kampfhandlungen eingeholt wurden. Bei Kreuzfahrten war in der Regel nur eine Reihe der zwei- und dreireihigen Schiffe mit Ruderern besetzt; sie wechselten sich in kurzen Zeitabständen ab, damit sie nicht alle zur gleichen Zeit müde wurden.
Um 325 v. Chr. kamen vier- und fünfreihige Galeeren auf. Es herrscht keine Gewissheit darüber, wie die Ruderer und Ruder in diesen und den späteren mehrreihigen Schiffen angeordnet waren. Unwahrscheinlich ist aber, dass in den vier- und fünfreihigen Schiffen die Anordnung der dreireihigen beibehalten wurde, bei denen für einen Mann ein Ruder vorgesehen war.
Im 3. Jahrhundert n. Chr. wurden diese großen, schwerfälligen Galeeren durch die Liburne ersetzt. Das war ein relativ kleines Schiff, das für schnelle Fahrten vorgesehen war und über zwei Reihen von Rudern an jeder Seite sowie ein großes Segel verfügte. Dieser Kreuzer wurde lange Zeit von den Römern bevorzugt, die es auch 31 n. Chr. in der Schlacht bei Aktium (Ende der römischen Bürgerkriege) einsetzten.
Das Mittelalter und später
Zu den im Mittelalter entwickelten Galeerentypen gehörten die Byzantinische Dromone und die Riemengaleere. Die Byzantinische Dromone war eine schnelle zweireihige Galeere mit Segeln und 25 Rudern an jeder Seite. Bei der Riemengaleere befanden sich alle Ruder in einer Höhe. Auf einer Bank saßen jeweils ein, zwei oder drei Männer, die aber alle ein eigenes Ruder bedienten. Die Bänke waren in einem Winkel zur Mittellinie des Schiffes angeordnet, damit sich die Ruderer auf einer Bank nicht behinderten. Auf der Riemengaleere hatten 120 Ruderer und 40 bis 50 Soldaten und Matrosen Platz. Sie besaß einen einzelnen Mast und ein dreieckiges Segel. Die Riemengaleere war etwa 39 Meter lang und bis zu fünf Meter breit. Am Vorderteil der Galeere konnten in einem Deckgefüge schwere Geschosswaffen (z. B. Katapulte) untergebracht werden. Die Mannschaft hielt sich an Deck auf, die Offiziere waren am äußersten Ende des Heckes in einer Kabine untergebracht.
Im 13. Jahrhundert kam die Tarida auf. Sie war fast zweimal so groß wie die Riemengaleere und mit zwei Masten ausgestattet. Sie konnte etwa 150 Ruderer aufnehmen und wurde als Beförderungsmittel eingesetzt. Außerdem wurden Handelsgaleeren eingeführt, die 46 bis 52 Meter lang und 5,5 bis sieben Meter breit waren. Sie verfügten gewöhnlich über drei Masten. Mitte des 16. Jahrhunderts war die gewöhnliche Galeere insgesamt ungefähr 50 Meter lang, die Wasserlinienlänge betrug etwa 40 Meter und die Breite etwa 5,5 Meter. Sie konnte 150 Ruderer aufnehmen. Die Gesamtmannschaft bestand aus zirka 220 Männern. Die Ruder in diesen Galeeren waren länger und glichen sich vom Gewicht her aus. Außerdem waren Galeeren zu dieser Zeit mit drei bis fünf schweren, nach vorn gerichteten Kanonen und mehreren kleinen, leichten, schwenkbaren Geschützen ausgerüstet.
Eine weitere Entwicklung des 16. Jahrhunderts war die Galeone, ein dreimastiges Schiff mit Rudern und Segeln, das ungefähr 50 Meter lang und mit fünf bis 49 Rudern ausgestattet war. Die gesamte Mannschaft bestand aus etwa 700 Männern, bis zu 350 davon waren Ruderer.
Die Seeschlacht bei Lepanto (1571) war der letzte große Kampf, der mit Galeeren ausgetragen wurde. Danach verloren die Galeeren für die Seefahrt ständig an Bedeutung. Am Ende des 18. Jahrhunderts wurde die Flottengaleere nur noch als kleines Kanonenboot in Binnengewässern und zum Küstenschutz eingesetzt.
Als Handelsschiffe blieben die Galeeren aber weiterhin im Einsatz. Handelsgaleeren wurden am Ende des 17. Jahrhunderts in Neuengland und bis zum ersten Viertel des 18. Jahrhunderts von Ländern im Mittelmeerraum gebaut.
Karsten Müller