Sommerfahrt 1998 – Dänemark

1. Woche: Radtour von Hannover nach Kolding (Dänemark)
1. Woche: Radtour von Hannover nach Kolding (Dänemark)
Lüneburger Heide
Lüneburger Heide
2. Woche: Segeltörn mit dänischen Seepfadfindern auf drei Jachten in der dänischen Südsee
2. Woche: Segeltörn mit dänischen Seepfadfindern auf drei Jachten in der dänischen Südsee
 
 
Hoffentlich schläft nicht auch der Steuermann
Hoffentlich schläft nicht auch der Steuermann
Dot' und 'X og Bolle' auf der Kreuz im großen Belt
Dot' und 'X og Bolle' auf der Kreuz im großen Belt
Die drei Jachten vor Anker bei der Insel Æbelø
Die drei Jachten vor Anker bei der Insel Æbelø
Deutsche und dänische Seepfadfinder auf Æbelø
Deutsche und dänische Seepfadfinder auf Æbelø
3. Woche: Zeltlager auf dem Pfadizeltplatz 'Houens Odde' bei Kolding
3. Woche: Zeltlager auf dem Pfadizeltplatz 'Houens Odde' bei Kolding
Die Jungs auf der Jagd
Die Jungs auf der Jagd
Was die Jungs gefangen haben
Was die Jungs gefangen haben
Vorbereitung für den Bau eines (fünfeckigen) Lagerturms
Vorbereitung für den Bau eines (fünfeckigen) Lagerturms
Turmbau zu Kolding
Turmbau zu Kolding
 
 
 
Der fertige Turm
Der fertige Turm
Blick von oben
Blick von oben

Logbuch einer Sommerfahrt

PLANUNG


05.09.1997, Köln


Während des Stammesthings entscheiden sich die Führer des Stammes Argonauten für Dänemark als das Fahrtenland für das Sommerlager 1998. Die angestrebte Struktur ist eine Woche Fahrradhajk, eine Woche Standlager und für uns zum ersten Mal: Ein einwöchiger Segeltörn auf Hochseeschiffen für die gesamte Pfadfinderstufe (In den vorigen Jahren waren wir auf Jollen unterwegs.).

10.10.1997, Köln


Über die internationale Telefonauskunft erhalte ich einige Telefonnummern von Pfadfinderorganisationen in Kopenhagen.

Nach einem Gespräch mit diesen verspricht man mir Informationen über dänische Pfadfinderzeltplätze zu schicken.

16.10.1997, Köln


Aus dem heute eingetroffenen Informationsheftchen meine ich zu entnehmen, dass es da in Århus eine Seepfadfindergruppe gibt, die zwei Segelyachten ihr eigen nennt und einwöchige Törns auf der Ostsee anbietet. Unglücklicherweise ist der Prospekt in dänisch, so dass hier nur eins hilft: Telefonieren! Leider ist keiner zu Hause.

19.10.1997, Köln


Ich habe Mikael und Dorte vom Århus Maritim Center erreicht. Tatsächlich gibt es dort Schiffe für acht beziehungsweise vier Gäste. Die Schiffe sind 7 und 9 Meter lang und damit sehr klein, da zu den Gästen noch je zwei dänische Schiffsführer kommen. Trotzdem geht es mir nach dem Gespräch hervorragend, denn drei große Probleme sind nun gelöst: Wir haben zwei von drei Schiffen, die wir brauchen; wir haben die Skipper für diese Schiffe und darüber hinaus ist dieses Pfadfinderangebot sehr günstig: Ein Platz auf den Pfadfinderschiffen kostet ungefähr ein Drittel von dem was ein Platz auf einer normalen Charteryacht in der Hochsaison kostet. Hurra!

VORBEREITUNG


15.05.1998, Århus


Nach acht Stunden auf deutschen und dänischen Autobahnen kommen wir (wie geplant) um 23.30 Uhr bei Dorte und Mikael zu Hause an. Man erwartet uns mit einem späten Abendessen aus dänischer Küche. Tut gut nach den Fahrtunterbrechungen beim "goldenen M". Für uns alle ist es eine sehr spannende erste Begegnung, denn sowohl für die Argonauten als auch für das Århus Maritim Center ist es der erste internationale Kontakt.

16.05.1998, Århus


Nachdem wir morgens einigen organisatorischen Kram, wie Kartenkauf und Ähnliches erledigt haben, geht’s endlich in die Marselisborg Marina, den Hafen in dem die dänischen Pfadfinderschiffe liegen. Dort treffen wir unter strahlend blauem Himmel auf Panile, Kristian und Bo. (Verzeiht mir, wenn ich eure Namen so geschrieben habe wie sie sich für mich anhören!) Beim Erforschen der beiden Boote Sagitta und Dot stellen wir fest, dass es tatsächlich sehr eng werden wird. Nachdem man uns gezeigt hat, wo hier überall geschlafen wird, drängen sich mir die Termini "fahrende Betten" und "Rolotel" auf.

Nichtsdestotrotz entschließen sich die Dänen, Eis zu kaufen. Man macht also Sagitta, die größere von beiden Yachten, klar zum Ablegen und segelt einmal quer durch die Bucht zu einem kleinen Hafen, in dem ein Eisladen vermutet wird. Leider gibt’s dort nur eine Tankstelle mit Eis am Stiel. War trotzdem den Weg wert, den beim Seepfad finden ist’s genau wie beim Landpfad finden. Ihr wisst schon: Der Weg ist das ...

Darüber hinaus haben wir während des ruhigen Törns Gelegenheit unsere Vorstellungen von der Sommerfahrt auszutauschen und dabei zum Beispiel festzustellen, dass wir zwei vollkommen verschiedene Modelle von Aufgabenverteilung an Bord haben. Wir finden ein Mischmodell als Lösung, bei dem es sowohl feste Aufgaben für Spezialisten, als auch täglich wechselnde Aufgaben geben wird.


DURCHFÜHRUNG


24.08.98, Kolding


Nach 500 km Radtour beziehungsweise 100 km Wanderung zu Fuß sind unsere drei Hajkgruppen nach einer Woche in Pfadfinderzeltplatz in Kolding eingetroffen. Die erste Gruppe nachts um drei, die anderen planmäßig am Nachmittag.

25.07.98, von Kolding über Århus nach Nappedam


Mit dem Zug geht’s von Kolding.nach Århus. Die Züge sind ziemlich nett hier - mit Spielplatz für Kinder.

Die Crews von Sagitta und Dot fahren mit Dorte, die uns am Bahnhof abgeholt hat, einkaufen, während ich mit meiner Crew nach Egå, einem Vorort von Århus weiterfahre. Hier liegt das dritte Schiff, das wir bei einem Charterbüro gemietet haben. Die X og Bolle ist wie Sagitta etwas über neun Meter lang, bietet aber nur Platz für sechs Crewmitglieder. Mit dem Eigner habe ich am Vortag per Telefon ausgemacht, dass wir schon an Bord gehen können, wenn er noch nicht da ist. Der Schlüssel liegt zwar nicht unter der Fußmatte, dafür aber - wie üblich - im Kasten mit der Gasflasche. Nach einer Einweisung durch den Eigner und einer (Sicherheits-) Einweisung für die Crew legen wir um 18.03h ab mit Ziel Nappedam.

20.06 h, Nappedam: Wir legen an. In Skandinavien ist es - anders als zum Beispiel im Mittelmeer - üblich, dass die Schiffe längs zum Kai anlegen. Wenn der Hafen - dann sehr schnell - voll ist, legen die folgenden Schiffe einfach an den schon liegenden Yachten an. Man kommt dann an Land, in dem man über die weiter innen liegenden Schiffe möglichst leise und nur übers Vorschiff hinüber watet.

28.07.98, von Ballen nach Æbelø


Heute morgen gab es keinen frischen Fisch zu kaufen. Sehr zur Freude einiger Pfadfinder, die wir damit drangsalieren wollten, kaufen wir für den heute geplanten Grillabend also Pølser, die auch in dänisch auf den schönen Namen Frankfurter hören, darüber hinaus ein Paar Flaschen øl, was zwar wie Öl gesprochen wird, dennoch nur die dänische Bezeichnung für des Deutschen liebstes Kaltgetränk ist. Bemerkenswerterweise gibt es in Dänemark kein Dosenøl. Aus ökologischen Gründen sind Tuborg, Carlsberg und Konsortien im Heimatland in kleinen Mengen nur als Flachenøl zu erwerben. Lobenswert!

11.35h, 2 sm nördlich Samsø: Flaute. Das Schiff macht am bisher einzigen richtig sonnigen Tag noch etwa 0,7 Knoten - 1,3 km/h! Mechthild und Veronika beschließen schwimmen zu gehen. Nachdem sie sich um- und die Schwimmwesten angezogen haben, schmeißen wir sie über Bord, schleppen sie an den Achterleinen hinter uns her und füttern sie mit zugeworfenen Äpfeln, welche im Salzwasser klasse schwimmen.

12.30h, Lushage: Da wir heute noch nach Æbelø wollen, schmeißen wir den "Jockel" (= Motor) an. Unterwegs begegnen wir einer Herde Finnwale, die sich jedoch leider zügig wieder verpieseln.

13.39h, 55°44,81’N, 010°30,48’E: Nach einem Funkanruf nehmen wir Dot auf den Haken, da wir sie mit unserem Innenborder schneller schleppen können als sie mit ihrem Außenborder fahren könnten. Dorte, auf die Wale angesprochen, meint nur: "Ah, the small whales? You can see them very often here. They are as big as dolphins but much more stupid."

17.25h, Æbelø: Wir erreichen die Insel Æbelø, welche keinen Hafen hat, den wir anlaufen könnten. Also legen wir alle drei Boote nebeneinander und werfen jeweils unseren Buganker aus. An Land kommen wir in mehreren Schüben mit dem motorisierten Dingi (= Beiboot) von Sagitta. Abends dann Grillparty mit Pølser, øl und den wenigen englischen Bulibu-Liedern What shall we do with the drunken sailor ... Besondere Freude erwecken dabei einige der Salate, die ich am Morgen gekauft habe. Zum Currysalat, den gerade einige der Jüngeren mit Genuss verspeisen meint Bo: "You bought curry-salad?! Do you really want to eat that stuff? We usually put it on fish like mayonnaise." Naja, stand eben Salat drauf und ich wollte mal offen für neue Wege sein.

31.07.98 von Middelfart Lystbådehavn nach Norsminde


Nachdem wir uns in den letzten beiden Tagen durch die Meerenge zwischen Jütland und Fünen in den kleinen Belt hineingearbeitet haben, soll heute einer der Höhepunkte unseres Törns stattfinden: Eine Nachtfahrt.

23.15h, Middelfart Lystbådehavn: Wir legen ab und fahren noch einmal 20l Diesel bunkern. Kurz bevor wir aus dem Hafen raus sind, erreicht uns von Sagitta über Funk die Frage, ob wir Ersatzlampen für die Positionslaternen haben. Haben wir, allein mir steht nicht der Sinn danach jetzt im Dunkeln bei Windstärke 5 noch einmal in eine der engen Festmacheboxen reinzufahren. Also fahren wir dicht an Sagittas ausgebrachtem Dingi vorbei, in dem Henning steht. Er bekommt die Ersatzlampe beim zweiten Versuch zu packen.

Nach einem bestätigenden Funkspruch von Sagitta geht es endlich raus in die mondlose Nacht.

Der Wind weht von vorne. Wir müssen kreuzen, im Zickzack gegen den Wind fahren. Ich stehe vor einem Dilemma: Einerseits sollten wir die Wenden, das heißt die Ecken des Zickzack-Kurses, möglichst spät fahren, um schnell vorwärts zu kommen; andererseits fahren wir durch einen engen Schlauch, der in der Mitte zwar zwanzig Meter tief ist, jedoch nicht sehr breit. Darüber hinaus sind die offensichtlich unbewohnten Ufer nicht zu erkennen. Von Sebastian kommt aus der Navigationsecke die Information, dass das Fahrwasser an seinen Rändern sehr steil ist.

Wir fahren nach Echolot. Carmen wird eingeteilt die Tiefe in Schritten von einem Meter anzusagen. Die X og Bolle hat 1,80m Tiefgang, bei zwei Metern Tiefe piepst das Echolot zur Warnung. Ich entschließe mich bei jeweils fünf Metern Tiefe die Wenden zu fahren.

Unter vollen Segeln gleiten wir mit leichter Schräglage durch die nur vom spärlichen Sternenlicht erleuchtete Nacht. Eine Wende folgt auf die andere. Dann: "12 Meter, 11 Meter, 10 Meter ..."

00.30h: Ich gebe das Kommando: "Klar zur Wende!" In dem Moment geht ein Schlag durch das ganze Schiff, wir alle werden nach vorne gerissen, unter Deck fliegt irgendwas durch den Salon und schlägt scheppernd auf die Bodenbretter, ich drücke im letzten Moment das Ruder rum. Dann steht das Schiff. Jetzt piepst auch leise das Echolot. Unglaublich! Von 10 Metern auf 1,20 in einer Sekunde. Das muss sehr steil sein hier.

Die Frage nach dem "Wie ist das passiert?" steht erst einmal hinter dem "Wie kommen wir hier wieder raus?" Ein Blick mit dem Halogenscheinwerfer ins Wasser zeigt, das wir auf Sand aufgelaufen sind und dass die X og Bolle durch die noch eingeleitete Wende mit dem Bug zum Fahrwasser zeigt. Glück im Unglück: So können wir versuchen vorwärts rauszukommen, mit Unterstützung durch den Wind. "Alle Mann an Deck und auf die Steuerbordseite!" Dadurch bekommt die Yacht eine extreme Schräglage, was zur Folge hat, dass der aufgelaufene Kiel angehoben wird. Nach einer langen viertel Stunde hat uns der Motor wieder ins tiefe Wasser geschoben und wir sind wieder frei.

01.15h, 55°28,88’N, 009°40,28’E: Wir entdecken Skærback, das erste Leitfeuer. Leitfeuer sind Leuchttürme, deren überstrahlter Bereich in mehrere Sektoren eingeteilt ist. Im kleinen Belt sind die Sektoren durch drei Farben gekennzeichnet. In der Mitte befindet sich ein weißer Sektor, der links von einem roten und rechts von einem grünen Sektor eingerahmt ist. Das spannende daran ist, dass der weiß beleuchtete Sektor von Untiefen oder Wracks frei ist. Wer im weißen Sektor fährt, fährt also sicher. Das rote und das grüne Licht an den Rändern des weißen Lichts hat also praktisch die Funktion von Leitplanken. Wer rot oder grün sieht, sollte sich schleunigst wieder in den weißen Sektor begeben. Der Grund, warum wir hier runter gefahren sind, ist der, dass hier in Folge fünf dieser Leitfeuer stehen, die so angeordnet sind, dass wenn das erste gerade verschwindet, schon das nächste auftaucht. So wird man sicher durch das verwinkelte Fahrwasser bis zur riesigen Brücke über den kleinen Belt gelotst.

02.45h, Strib: Wir erreichen das Ende des kleinen Belts und gehen von Sicht- auf Kompassnavigation. Bei sauber gefahrenen 66° sollten wir in einer knappen halben Stunde eine gelbe Tonne erreichen, die alle 10 Sekunden eine Serie von vier weißen Blitzen blinkt.

05.00h, Tonne Bjørnskunde: Nachdem wir eine Tonne nach der anderen abgehakt haben, ist jetzt Schichtwechsel. Ein Paar ziemlich verschlafene Mädchengesichter kommt aus der vorderen Koje zum Vorschein. Zeit auch für mich ein bisschen zu schlafen, denn beim Landfall muss ich wieder fit sein.

08.35h, Norsminde: Nach 66 gesegelten Meilen erreichen wir unseren noch ziemlich verschlafenen Zielhafen. Es ist schweineflach hier. Das Echolot schreit ein paar mal: "Zwei Meter!" Nach Hafenplan soll es aber reichen und es reicht auch. Beim sehr vorsichtigen Anlegen wecken wir die Crew des Nachbarschiffes, die es uns jedoch nicht übel nimmt, sondern, im Gegenteil, sehr freundlich auf die segelnden Pfadfinder reagiert. Eine gute Stunde später sind auch Sagitta und Dot gut reingekommen.

31.07.98 Von Norsminde nach Marselisborg Havn (Århus)


20.01.h, Norsminde: Wir legen ab, um die letzten 7,5 Meilen auf diesem Törn zu segeln. Sebastian und Philip haben uns schon in Richtung Köln verlassen, um dort 13 Wölflinge abzuholen, die morgen mit uns auf dem Zeltplatz in Kolding ankommen sollen. Der Wind hat aufgefrischt und die X og Bolle legt sich noch einmal "richtig auf die Backe". Bei dieser Schräglage hätte die Hälfte der Crew vor einer Woche noch Zähneklappern bekommen. Heute macht’s nur noch Spaß.

Am Abend in Århus verabschieden sich die Dänen von uns mit Schokoladenkuchen, Kakao und dem Lied von das Pudelhund, welches eine dänische Rockgruppe in einem abenteuerlichen Deutsch gedichtet hat. Es fällt mir noch schwer zu glauben, dass wir morgen nacht schon wieder in Kohten, Jurten und Juschkas schlafen werden.

AUSWERTUNG


23.08.98 Köln


Auf dem Stammesthing wird einhellig festgestellt, dass der Segeltörn bei den Sippen die tiefsten und positivsten Eindrücke des Lagers hinterlassen hat, so dass wir uns entschließen 1999 wieder einen Segeltörn auf Seeschiffen mit einzuplanen, vielleicht in Kroatien, wo’s so richtig warm sein soll.